Ihr habt uns verraten, Ren! Die Totenstille im schwebenden Tempel wurden durch diesen Schrei durchbrochen. In der großen Säulenhalle in der Mitte des Tempels stand wütend und traurig ein Mädchen mit nachtschwarzen, längeren Haaren. Aber Arina! Wir haben nichts getan!, flehte ich, Ren Akuma. Arina, schüttelte enttäuscht den Kopf. Ich habe dir vertraut, Ren, weil du meine Mentorin bist. Und weil du meine Freundin bist. Aber du hast uns verraten. Dafür musst du gehen. Tränen flossen ihr Gesicht herunter. Auch mein Gesicht wurde von Tränen überströmt und ich sah Arina bittend an. Ich könnte dich nicht verraten, Arina. Du bist doch für mich wie…, ich stockte, Du bist doch für mich wie eine I-moto-chan… Arina zuckte bei meinen Worten zusammen. Wir waren wie Schwestern, Ren-chan… Du warst meine O-nee-chan und ich deine I-moto-chan… Arina betrachtete mein Gesicht. Aber diese Zeiten sind vorbei. Du hast die gesamte Menschheit, das Himmelsreich und alles andere verraten. Du hast mich verraten… Sie dürfen dich nicht hierbehalten. Du musst mit deinen neuen Freunden verschwinden.
Plötzlich stürmte ein Mädchen mit kurzen, braunen Haaren herein und blickte erschrocken auf Arina und mich. Sie sah zum Schatten hinter mir und erstarrte. Pass auf, Ren!, schrie sie und stürmte zu einer Gestalt hinter mir. Ich drehte mich zum Angreifer um. DU?!? Ungläubig sah ich den Jasper an. Er zückte seinen Dolch, grinste frech und sagte: Ja, ich bin es, Ren! Doch bevor er auf mich einstechen konnte, packte Arina ihn und schleuderte ihn weg. Lauf, Ren! Lauf mit deinen Freunden an unseren geheimen Ort! Hier würdet ihr sterben! Dann schrie Arina laut auf, als die Spitze des Dolches ihren Brustkorb durchstach. Jasper erklärte: Verräterin!
Ich schrie auf, als ich meine Freundin tot auf dem Boden liegen sah. Ren, lass uns von hier verschwinden! Sonst tötet dich mein Bruder! Jaspers Schwester, das braunhaarige Mädchen, packte mich und breitete ihre weißen Flügel aus. Aber Alice! Was ist mit Arina? Wir können sie hier nicht liegen lassen! Ich entwand mich aus dem Griff von Alice und starrte Arina an. Dann sah ich wütend Jasper an. Ren, es hat keinen Zweck! Wir werden uns bald rächen, versprochen! Ein weiterer Junge stürmte in die gewaltige Halle. Ich gebe euch Rückendeckung, haut ab! Seine schwarzen Haare flatterten in der Windböe, die durch die Halle jagte.
Nach einem Moment des Zögerns breitete ich auch meine weißen Flügel aus. Deine Flügel sollen ab nun nicht mehr weiß sein, Ren! Du hast uns verraten! Deine Flügel werden ab nun an schwarz sein, wie die Nacht! schrie Jasper. Gebannt sah er auf meine Flügel und grinste, als diese tatsächlich nachtschwarz wurden. Ich erschrak, schlug kräftig mit den Flügeln und erhob mich in die Lüfte. Alice folgte mir und nickte dem anderen Jungen zu. Du schaffst das schon, Ezio! Ezio nickte zurück, wand sich Jasper zu und zückte seinen Dolch.

Ich erschrak. Dann schaute ich mich um: Ich befand mich in meinem Labor. Der Traum-Synchronisator hatte mir schon wieder den Albtraum, der vor fast 10 Jahren Wirklichkeit wurde, geschickt! Und leider konnte ich diese Schwäche immer noch nicht überwinden…
Ich schloss das Gerät von meinem Körper ab und stellte die Maschine ab. Dann seufzte ich. Ich wollte gerade aus dem Labor gehen, da wurde die Tür von Alice aufgerissen. Da bist du, Ren! Besorgt sah sie mein müdes Gesicht. Wie lange bitte versucht du schon deine Schwäche zu überwinden?!? Eine Woche?!? Einen Monat?!? Sie zog mich aus dem Labor, knallte die Tür zu und brachte mich in mein eigentliches Zimmer. Aber Alice…, murmelte ich verschlafen, doch sie warf ein: Ruh dich aus, der Blutmond ist bald da! Dann lief sie aus dem Zimmer. Ich hörte gerade noch, wie sie die Tür schloss, bevor ich in einen unruhigen Schlaf fiel.

Ich sah die ganze Zeit Arina vor meinen Augen, wie sie dort tot lag. Überall floss Blut aus ihrem Körper. Plötzlich erhob sie sich und öfnete ihre blauen Augen. Du hast mich verraten! Die Worte hallten durch den Raum, aber es war zu dunkel, um zu erkennen, wo ich war. Arinas Worte erfüllten meinen Kopf, machten mich lahm. Ich merkte, dass ich zu weinen anfing. Arina’s Augen waren blicklos, doch sie schien mich wütend anzusehen. Sie sah praktisch durch mich hindurch und erkannte mich nicht mehr. Ich flüsterte: Arina…, doch sie schien mich nicht zu hören. Auf einmal wand sie sich von mir ab und verschwand im dichten Nebel, der die Schattenlichtung inzwischen umhüllt hatte.

Würde sie mir irgendwann einmal verzeihen können?